Sie kamen in Scharen über das Meer
und dann zu Fuß über die Berge; die Reise war schwer.
Sie waren geflohen vor Bomben und Not.
Auf ihrem langen Weg fanden viele den Tod.
Sie standen am Bahnhof, der Tag war kalt und klar,
es roch nach Bratwurst und nach Glühwein, und nirgends nach Gefahr.
Dann gab es warmes Essen und ein Bett im Quartier.
Sie schliefen wie die Steine; am Morgen fragten sie: „Wo sind wir hier?

Wir sind so weit geflüchtet,
der Abschied fiel uns schwer,
es ging mit einem alten Schlauchboot über’s Mittelmeer.
Wir sind so weit geflüchtet,
kein Mensch weiß, wie’s uns geht.
Wir tragen einen Schmerz, den wohl nur jemand, der’s erlebt hat, wirklich versteht.

Die Monate vergingen, noch war die Fremde fremd.
Sie wurden jeden Tag aufs Neue vom Heimweh überschwemmt.
Sie kämpften mit der Sprache, unvertraut und schwer.
Manch abschätziger Blick beängstigte sie sehr.
Doch dann kam zu ihnen eine alte Frau.
Ihr Gesicht war voller Runzeln, die Augen strahlten blau.
Sie brachte einen Kuchen und einen Blumenstrauß
und sagte: „Seid willkommen! Ich hoffe, ihr fühlt euch hier bald zuhaus.

Ich bin selber mal geflüchtet,
es ist schon lange her,
da kam ich mit dem Treck über das zugefrorene Meer.
Ich bin selber mal geflüchtet
und ahne, wie’s euch geht.
Ich kenne diesen Schmerz, den wohl nur jemand, der’s erlebt hat, wirklich versteht.“

Irgendwann war Frieden, viele kehrten gleich zurück,
andere fanden in der neuen Heimat neues Glück.
In einer fernen Gegend machte man zum Krieg mobil
und wieder waren Menschen auf der Suche nach Asyl.
Sie standen wie benommen in diesem fremden Land,
doch da kam eine junge Frau mit bunten Blumen in der Hand.
Ihre Augen waren dunkel, ihr Kopftuch leuchtend rot.
Sie sprach: „Hier seid ihr sicher vor Bombenterror und vor Hungersnot.

Ich bin selber mal geflüchtet,
es ist noch nicht lange her,
ich kam in einem alten Schlauchboot über’s Mittelmeer.
Ich bin selber mal geflüchtet
und ahne, wie’s euch geht.
Ich kenne diesen Schmerz, den wohl nur jemand, der’s erlebt hat, wirklich versteht.

Geflüchtet