Wohin gehn die Worte, die wir sprechen,
wenn wir müde vor dem Spiegel stehn,
wir sagen „Guten Morgen“ zu uns selbst,
zu irgendwem, der gar nicht da ist,
zum Gespenst, das unterm Bett wohnt,
die Kaffeemaschine gurgelt
und das Radio bleibt heut aus, weil niemand zuhört.

Wohin geht das Lied, das ich hier singe,
ganz allein in meinem Zimmer,
ist es wahr, daß Wände Ohren haben,
können sie verstehen, was ich meine,
oder schlucken sie den Schall,
und wie verdauen sie das alles, was sie hören müssen,
ohne zu verzweifeln?

Wohin geht der Satz, den ich nur denke,
der berühmte mit drei Worten?
Wohin geht das alles, was ich fühle,
aber niemals zu dir sage?
Wohin geht der Blick, den ich dir zuwerf‘,
wenn du dich schon wieder wegdrehst?
Ich kann’s nicht beweisen, doch ich glaube,
es geht niemals irgendwas verloren.

Wenn es stimmt, daß nie etwas verloren geht,
dann sind wir hier umgeben
von Millionen ungeschriebenen Gedichten,
von verbrannten Symphonien,
von schon längst vergessenen Liedern,
von den Opern, die in Schubladen verstauben,
weil sie niemals jemand spielte.

Wenn es stimmt, daß nie etwas verloren geht,
dann sing ich immer weiter,
immer lauter,
unverdrossen,
ohne Publikum,
vielleicht lauschen die Götter, die auf irgendeiner Wolke sitzen,
vielleicht hört ein Unbekannter zu, der vor dem Fenster plötzlich stehenbleibt.

Wohin geht der Satz, den ich nur denke …

Wohin